Vorsicht vor der Wir-Perspektive



Wir sind die Nummer 1. Ohne uns läuft nix. Wir machen uns Gedanken. Die Wir-Perspektive gehört schon seit Jahrzehnten zu den beliebtesten in der Werbung. Dafür gibt es Gründe: das Einbeziehen des Lesers, die Betonung von Gemeinschaft und die partnerschaftliche Kooperation.

Das ist alles schön und gut, es gibt da nur ein Problem: Der Leser ist dabei meist gar nicht gemeint. Er wird also in Wahrheit nicht einbezogen, sondern ausgeschlossen. Und ich bezweifle sehr, dass Marken ihren Lesern dieses Gefühl vermitteln wollen.

Oder umgekehrt: Das WIR vereinnahmt Menschen, die sich vielleicht gar nicht in der Botschaft wiederfinden wollen. Siehe die teils heftigen Reaktionen auf Angela Merkels "Wir schaffen das". Der hehre Anspruch mit dem WIR kann also ziemlich schnell nach hinten losgehen - wenn das WER im WIR nicht deutlich wird.

In den meisten Fällen meint die Wir-Perspektive
- alle Mitarbeiter des werbenden Unternehmens bzw. der Marke

Es könnte aber auch bedeuten
- alle Kunden oder
- nur das Duo aus Kunde und seinem persönlichem Berater oder
- das Team der Marketing-Abteilung oder
- die Gesamtheit aller Menschen auf der Erde

Insights statt Wir
Es dürfte allgemein bekannt sein, dass niemand gerne jemandem zuhört, der ständig über sich redet - mit emotionaler Bindung ist da Essig. Um eindeutig und relevant zu kommunizieren, sollten wir (der textende Teil der Bevölkerung) deshalb am besten auf die Wir-Perspektive verzichten und uns lieber den Insights der Zielgruppe zuwenden (warum tut sie, was sie tut).

3 Tipps für den Fall, dass es wirklich nicht ohne WIR geht
Erstens: Es geht immer.
Wer jetzt weiterliest, ist bloß zu bequem, um sich über die Insights seiner Zielgruppe Gedanken zu machen.

Zweitens: Kontext beachten.
Manche Werbemittel lassen bereits Rückschlüsse auf den Absender zu. Leser können ein WIR auf der Marken-Website oder in der Facebook Ad viel einfacher entschlüsseln als auf einem City Light Plakat oder im Radiospot.

Drittens: Kontext herstellen.
So einfach und schnell wie möglich auflösen, wer sich hinter der Wir-Perspektive verbirgt. Zum Beispiel im Bild (ich sage nur: Berufskleidung) oder in der Subline.


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